Architektur Haus Haan

Haus Haan ist ein Wohnhaus im Stil des „Neuen Bauens“, das in den Jahren 1931-32 als Einfamilienhaus für den ortsansässigen Mühlenbesitzer Ludwig Haan, in ortsbildprägender Ecklage am Rande des Ortskerns zum rheinseitigen Damm hin gelegen errichtet wurde. Architekt/en: Matthias „Mathieu“ Jansen (Goch) und nach mündlicher Überlieferung unter Mitwirkung von Alfons Mostertz (Kleve).

Haus Haan ist ein kubischer, mehrfach gestufter zweigeschossiger Bau mit weißer Putzfassade über einem klinkerverkleideten Sockelgeschoss. Die Ringofenklinker variieren farbig und mit sind mit sogenannten Bossensteinen durchsetzt, die sehr stark gesindert sind. Konstruktiv handelt es sich um einen traditionellen Mauerwerksbau aus Backsteinen.

Zur Seitenstraße Fischerwall hin tritt das Sockelgeschoss als Vollgeschoss in Erscheinung, mit einer eingebauten Garage. Der Baukörper als für das Neue Bauen typisches Terrassenhaus ist in seiner Höhe insgesamt dreifach gestuft. Sein höchster Teil ragt turmartig über die Obergescossdecke hinaus. Zum Schifferdamm hin ist am oberen Ende des Trums mittig ein kleines, mit buntem Glas bleiverglastem Rundfenster aus Holz eingebaut. Flachdächer, z.T. als Dachterrasse mit filigranen Metallbrüstungen ausgebaut; leicht vortretende Trauflinien.

Der Eingang befindet sich im Erdgeschoss von Seiten des Rheindammes her, ist überdacht mit einem flachen Vordach, seitlich über der Tür verziert mit Streifenmuster-Backsteinbändern, die sich von der weißen Fassade abheben. Turmartige Überhöhung über dem Eingang, darin Treppenhaus, zur Westseite ein Rundfenster mit Buntverglasung.

Das Erdgeschoss besitzt zur Rheinfront hin einen halbrunden Erkervorbau mit umlaufendem, senkrecht geteilten Fenster und Austritt im Geschoss darüber. Das Obergeschoss nahezu identisch mit dem Erdgeschoss, jedoch andere Fensterverteilung.

Für das Neue Bauen außerdem typisch die an die Ecken gerückten bzw. bandartig zusammengezogenen Fenster v.a. im Erdgeschoss; im Obergeschoss dagegen überwiegend Einzelfenster mit Fensterläden. Holzfenster der Bauzeit mit senkrechter Flügelteilung erhalten.

Denkmalwert

Das Wohnhaus Schifferdamm 11 in Grieth ist bedeutend für die Geschichte des Menschen und für Städte und Siedlungen, hier den Ort Grieth (Stadt Kalkar). An seiner Erhaltung und Nutzung besteht aus künstlerischen und wissenschaftlichen Gründen ein öffentliches Interesse.

Denkmalumfang

Gesamtes Gebäude wie beschrieben. – Das Innere konnte bisher nicht besichtigt werden. Die von außen erkennbare Substanz mit ihren charakteristischen Merkmalen ist augenscheinlich weitgehend unverändert erhalten; erfahrungsgemäß ist ein vergleichbarer Erhaltungszustand auch für das Innere anzunehmen. Noch vorhandene bauzeitliche Merkmale im Inneren (Substanz, Grundrissaufteilung, baufeste Ausstattung wie Treppen, Bodenbeläge, Deckengestaltung, Einbaumöbel, Wandverkleidungen etc.) sind ggf. in der Unterschutzstellung nachzutragen.

Bedeutung für die Geschichte des Menschen

Es handelt sich ausweislich der beschriebenen charakteristischen Merkmale um ein Zeugnis des „Neuen Bauens“ der Weimarer Republik, dem dadurch besondere Bedeutung zukommt, dass es in dörflichem Umfeld errichtet wurde, was auch überregional als äußerst selten zu bezeichnen ist. Dies ist von Bedeutung weit über die architekturgeschichtliche Aussage hinaus, da dieser Stil zur Zeit seiner Errichtung allgemein als modern und modisch galt, als „Avantgarde“ aber auch umstritten war, und somit auch Rückschlüsse auf Lebensstil und Lebensweise derjenigen zulässt, die ihn sich zu eigen machten. Es zeigt auch, dass die gemeinhin als „(groß-)städtisch“ geltende Moderne vereinzelt sogar schon auf dem „Land“ angekommen war und von örtlichen Bauherren und Architekten übernommen wurde. Der Stil war sicher geeignet, sich von der Umgebung ab- und herauszuheben, eigenen Mode- und Kunstverstand oder auch allgemein Modernität und Selbstbewusstsein auszudrücken.

Bedeutung für Städte und Siedlungen

Das Haus ist bedeutend für Städte und Siedlungen als außergewöhnliches Zeugnis der modernen Architektur der 1920er/30er Jahre mit besonderen Aussagewert für die Orts- und Baugeschichte von Grieth und der niederrheinischen Region. Es ist ferner das Wohnhaus einer bekannten Persönlichkeit und Familie des Ortes gewesen, das zudem Schauplatz eines besonderen historischen Ereignisses für die Region gewesen ist.

Das Haus wurde 1931-32 im Auftrag von Ludwig Haan, Besitzer eines bekannten Mühlenbetriebes am Ort, als Wohnhaus für sich und seine Familie errichtet. Die Baupläne sind unterzeichnet von dem Gocher Architekten Mathias „Mathieu“ Jansen, nach mdl. Überlieferung soll aber der Architekt Alfons Mostertz aus Kleve wesentlich an der Ausführung beteiligt gewesen sein. Ein zugehöriges historisches Fabrikgebäude befindet sich bis heute neben bzw. hinter dem Wohnhaus.

In der Region bekannt ist das Haus darüber hinaus wegen einer Episode am Ende des Zweiten Weltkriegs, als hier der Bildhauer Achilles Moortgat aus Kleve mit seiner Familie Zuflucht fand, nachdem sein Klever Haus zerstört worden war. Berichte von Augenzeugen, die Moortgat zum Kriegsende unter widrigsten Umständen in diesem Haus besuchten, sind in der regionalgeschichtlichen Literatur überliefert. Die Tatsache, dass der Klever Künstler ausgerechnet hier Zuflucht fand, macht auch sehr wahrscheinlich, dass Haan Kontakte in entsprechende Kreise hatte, was wiederum auf die ungewöhnliche Wahl des Baustils für sein Haus Einfluss hatte.

Künstlerische Gründe für ein öffentliches Interesse an Erhaltung und Nutzung

Es handelt sich, wie Akten und ausgeführter Bau belegen, um einen baukünstlerisch durchgestalteten Architektenentwurf, der die seinerzeit aktuellen Formen des Neuen Bauens der 1920er Jahre umsetzt. Charakteristisch sind insbesondere die kubische Staffelung des Baukörpers, der die im Neuen Bauen populäre Form des Terrassenhauses umsetzt, das mit Austritten und Dachterrassen die umgebende Landschaft einbezieht – die hierfür prädestinierte Lage des Hauses am Rande des bebauten Dorfkerns mit weitem Blick in die Rheinlandschaft wird hier nicht zuletzt durch die Terrassierung und die großzügige Durchfensterung an der Rheinseite mit halbrundem Vorbau gestalterisch aufgenommen. Der glatte weiße Verputz und Stilelemente wie asymmetrisch gesetzte Fensterbänderungen und Rundfenster nehmen weitere charakteristische Formelemente des Neuen Bauens auf, spielen so auch mit den zeittypischen Schiff-Assoziationen, deren Bedeutung in Grieth ebenfalls offensichtlich ist. Durchaus harmonisch und „selbstverständlich“ sind der modernen Grundsprache der Architektur aber auch traditionelle Elemente wie Einzelfenster mit Fensterläden oder Ziegelverkleidungen mit ornamental gesetzten Bossensteinen beigegeben. Ob dies auf örtliche oder individuelle Einflüsse zurückzuführen ist, die dörfliche Umgebung oder die sicher nicht „avantgardistische“ Grundhaltung des/der Architekten, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls zeugen sie von der tatsächlichen Vielgestaltigkeit des Neuen Bauens im Lokalen, die sich nicht in 1:1-Adaptionen der großen internationalen Vorbilder erschöpfte.

Wissenschaftliche Gründe für ein öffentliches Interesse an Erhaltung und Nutzung

Es handelt sich um ein hinsichtlich seiner charakteristischen Merkmale weitgehend unverändertes Zeugnis des Neuen Bauens in der Weimarer Republik, mit der sehr seltenen Eigenschaft, in dörflicher Umgebung errichtet worden zu sein. Es ist in hohem Maße geeignet, der wissenschaftlichen Forschung zur Architekturgeschichte als Quelle und Anschauungsobjekt zu dienen.

Die moderne Architektur der Weimarer Republik ist zwar bereits seit langem ein wichtiges Thema der Architekturgeschichte, ihre lokalen Ausprägungen zumal abseits der großen Metropolen des Rhein- und Ruhrraums sind jedoch immer noch erst ansatzweise bekannt und erschlossen. Aktuelle Beispiele der Forschung mit Niederrhein-Bezug sind entsprechende Studien zu Krefeld (2014) und Hamborn (2016). 2018/19 ist das Haus Gegenstand im Projekt „Neues Bauen im Rheinland“ des LVR-Amt für Denkmalpflege (Publ. 2019). Jedoch gerade auch am unteren Niederrhein, unterhalb Krefeld/Duisburg, ist die Dokumentation der Architektur dieser Zeitstellung immer noch ein Desiderat, erschwert durch die erheblichen Kriegszerstörungen, veraltete Denkmalerfassungen und fehlende historische Bauakten.

In diesem Forschungsrahmen konnten bislang in der Region vor allem in den Städten Kleve und Goch einzelne bedeutende Beispiele des Neuen Bauens ermittelt werden, zu denen das Haus Haan auch in Beziehung gesetzt werden kann. So waren die Architekten, M. Jansen und gemäß mdl. Überlieferung A. Mostertz aus Goch bzw. Kleve. Bei Jansen handelt es sich um den bis etwa 1933 wohl wichtigsten Architekten in Goch, dessen Werk dementsprechend auch überblickshalber bereits dargestellt ist; seine Urheberschaft für Haus Haan war bislang aber nicht bekannt und war stilistisch auch nicht zu vermuten. Es fügt daher auch in dieser Hinsicht der Forschung zur regionalen Architekturgeschichte eine überraschende Facette bei. Alfons Mostertz kristallisiert sich erst neuerdings durch eine aktuelle Denkmalerfassung in Kleve für die Forschung als ein wichtiger Architekt der Stadt und möglicherweise auch in der Region heraus. In seinem daher bislang erst ansatzweise bekannten Werk finden sich durchaus Parallelen zu Haus Haan, vergleicht man es z.B. mit seinem eigenen, etwa zeitgleich entstandenen Wohnhaus Bleichenberg 5 in Kleve – formale Ähnlichkeiten im Sinne eines (gemäßigten) Neuen Bauens sind hier unverkennbar.

Neben diesen architekturgeschichtlichen Gründen besteht auch aus den o.a. ortsgeschichtlichen Aspekten ein wissenschaftliches Interesse an Erhaltung und Nutzung des Hauses.

Städtebauliche Gründe für ein öffentliches Interesse an Erhaltung und Nutzung

Das Haus stellt mit seiner für den Ort ungewöhnlichen und unerwarteten, aber qualitätvollen Architektur einen markanten Blickpunkt auf einer Ecke des alten Ortskerns von Grieth dar, wo es beinah „bastionsartig“ ein spitz zulaufendes Grundstück füllt. Es ist von hoher räumlicher Wirkung, v.a. auch in der rheinseitigen Silhouette des Ortes.

Mit dem zugehörigen, unmittelbar dahinterliegenden, selbst nicht denkmalwerten Fabrikgebäude bildet es eine funktionale und städtebauliche Einheit.

Es handelt sich um eine erhaltenswerte städtebauliche Situation im Sinne des §2(1) DSchG NRW, die wesentlich durch das Objekt initiiert und definiert ist und aus der dieses nicht ohne Beeinträchtigung bzw. Zerstörung der Situation herausgelöst werden kann.

Quellen / Literatur

  • Auszüge aus der Bauakte der Stadt Kalkar
  • Denkmalinformationssystem BODEON im LVR-ADR
  • Christoph Dautermann: Auf dem Weg in die moderne Krefelder Architektur der 1920er-Jahre. Goch 2014
  • Claudia Euskirchen u.a.: Architektur der Zwanziger Jahre in den Stadtteilen Alt-Hamborn und Marxloh. Duisburg 2016
  • Neues Bauen im Rheinland. Hrsg.: LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Petersberg 2019 (in Vorb.)
  • Hans-Joachim Koepp: Architekt und Abenteurer Mathieu Jansen. In: An Niers und Kendel 46 (2009), S. 26-29
  • Guido de Wird (Hrsg.): Achilles Moortgat, 1881 – 1957, ein flämischer Bildhauer und Maler am Niederrhein. Kleve 1981, S. 16
  • Wilhelm Michels / Peter Sliepenbeek: Niederrheinisches Land im Krieg. Kleve 1964, S. 96f.
  • Rheinischer Städteatlas Nr. 53: Grieth. Bonn 1992
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